Typisch Amt – einladend, unterstützend, serviceorientiert? Wer kennt sie nicht, die abgedroschenen Witze über die Servicewüste Deutschland. Die grauen, viel zu langen Flure, atmosphärisch scheint viel Luft nach oben – das Image ist schwierig, keine Frage. Noch schwieriger wird es, wenn Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung nicht oder nur schwer zugänglich sind. Denn dann betrifft dies vor allem jene, die sich nur schwer zur Wehr setzen können. Die nicht selbstbewusst Dienste und Leistungen einfordern, wenn sie ihnen auch ausdrücklich zustehen: Kinder, Menschen in Armut, Menschen, die nicht auf einem akademischen Niveau Deutsch sprechen, Menschen mit Behinderungen (…)
Wie Zielgruppen erreichen?
Genau für diese Menschen sind viele Unterstützungsangebote jedoch gedacht. Zum Beispiel die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Was sollte passieren, damit Zielgruppen die Leistungen auch wirklich verstehen und ohne Angst vor Stigmatisierung für sich nutzen können? Was muss der Öffentliche Dienstes tun, um das (oft nicht gerechtfertigte) Image, und die Ansprache zu ändern – für Unterstützung, die wirklich ankommt? Frau Prof.In Daniela Hensel von der Hochschule für Technik und Wirtschaft ist Expertin für Public Service Design. Sie beschäftigt sich mit eben jenen Fragen: Wie lässt sich zielgruppengerecht kommunizieren? Was braucht es, um die Nutzer*innen ansprechend, effektiv und bestenfalls nachhaltig zu erreichen?
In ihrem Impulsvortrag in der Reihe “Räume öffnen – Let´s talk change” stellt sie den Ansatz des Service Design an einem konkreten Projekt vor. Sie stößt damit bei Fachkräften auf großes Interesse, Zuspruch, aber auch Verwunderung. Verwunderung darüber, was alles möglich ist, wenn es Veränderungswillen gibt. Besonders dort, wo Finanzentscheidungen getroffen werden.
Der Zahnärztliche Dienst in Neukölln wird neu designed
Im Zentrum des Ansatzes stehen klar die Bürger*innen als Kund*innen des Öffentlichen Dienstes. Im Praxisbeispiel von Prof.in Hensel sind es Kinder. Sie begutachten den Zahnärztlichen Dienst Neukölln aus der Nutzer*innenperspektive. Alle weiteren Entscheidungen und Prozesse werden von ihrer Perspektive aus von den Fachkräften und den politischen Verantwortlichen weitergedacht. Der Zahnärztliche Dienst in Neukölln ist eine zentrale Stelle für die gesundheitliche Chancengleichheit aller Kinder: hier wird die Zahngesundheit von ca. 25.000 Kindern geprüft und wichtige Informationen rund um das Thema vermittelt. Umso wichtiger, dass mit dem Besuch die gewünschte Wirkung auf die Zahngesundheit ALLER Kinder erreicht wird. Wie die Gestaltung dieser Dienstleistung nun im Service Design umgesetzt wird, das präsentierte Frau Prof.in Hensel in einer anschaulichen Kurzdokumentation.
Endlich zufrieden mit dem Zahnärztlichen Dienst
Unterschiedlichen Methoden, wie dem Beobachten oder der „Customer Journey“ (übersetzt „die Reise der Nutzer*innen“), dienen dazu Handlungsfelder zu identifizieren und diese zu überarbeiten. Die Kinder werden zu Beginn nach ihrer Meinung und ihren Eindrücken zu den vorhandenen Räumlichkeiten und zur Untersuchung befragt. Sie liefern damit die Grundlage für den Prozess der Umgestaltung: den Dienst so anzupassen, dass Nutzer*innen und gleichzeitig Mitarbeitende im zahnärztlichen Dienst zufrieden sind. Und so wurde es gemacht: Gemeinsam mit Studierenden der HTW setzte das Fachkräfteteam ein umfassendes Designkonzept um, in dem z.B. eine mehrsprachige App für Smartphones entwickelt wurde, um die Eltern informieren zu können. Die Räumlichkeiten wurden umgestaltet und neue Vitrinen zur Zahngesundheit erstellt. Auch die Materialien wurden anschaulicher gestaltet. Sehr deutlich wurde das Herzstück des Ansatzes Service Design:
„Ohne die Meinung der Nutzer*innen sind Verbesserungen nicht möglich“.
Und diese Verbesserungen machten das Projekt zu einem vollen Erfolg für alle Beteiligten: die Befragung am Ende der Umgestaltung zeigte die große Zufriedenheit bei den Kindern und ihren Eltern, den Fachkräften und den Design-Entwickler*innen.
Und was bedeutet das jetzt im Weiteren? „Ja, aber das ist doch ein Ausnahmeprojekt!“ – Sicherlich braucht es auch finanziellen Gestaltungswillen, die Motivation der Fachkräfte, den Wunsch, Veränderungen anzustoßen. Im Grundsatz geht es jedoch vor allem darum, sich mit den Menschen als Kund*innen auseinanderzusetzen, für die eine Leistung angeboten wird. Und zwar am allerbesten im direkten Kontakt.
Wir bedanken uns herzlich bei Frau Hensel für ihren inspirierenden Impuls und bei all den interessierten Fachkräften, die mit uns über Chancen und Hürden diskutiert haben. Sie alle legen großes Engagement an den Tag, um die nicht immer schmerzfreien Veränderungsprozesse der öffentlichen Verwaltung ins Rollen zu bringen.
Weitere Projekte von Frau Prof.in Hensel und ihren Studierenden finden Sie hier.
Bild (von l.o. nach r.u.): Amélie Bohlen (Team MitWirkung), Carolin Friebe (Team MitWirkung), Prof.In Daniela Hensel (HTW Berlin), Andrea Möllmann-Bardak (Team MitWirkung) freuen sich im Nachgang der Veranstaltung über eine zahlreiche und aktive Teilnahme von über 90 Fachkräften.